Welt-AIDS-Tag 2013

Am 1. Dezember ist wieder Welt Aids Tag, welcher von UNAIDS ins Leben gerufen wurde. Seit 1988 gedenkt dieser Tag der an AIDS verstorbenen Menschen und mahnt, dass alle HIV-Infizierten weltweit Zugang zur Hochaktiven Antiretroviralen Therapie haben sollten. Es ist ein großes internationales Dilemma und ein Auswuchs der Globalisierung, dass gerade in Afrika und Asien viele Menschen an AIDS sterben, weil kein Geld für Medikamente vorhanden ist.

Solidarität mit HIV-infizierten Menschen aus armen Ländern gibt es kaum. So werden etwa afrikanische Migranten/Migrantinnen, die mit HIV infiziert sind, trotz ihrer Krankheit wieder in ihre Heimatländer abgeschoben, wo sie aufgrund des fehlenden Zugangs zur Therapie innerhalb weniger Jahre an AIDS sterben. Grundsätzlich gibt es in den meisten Drittstaaten keinen zuverlässigen, über langfristige Zeiträume anhaltenden Zugang zu antiretroviralen Medikamenten, vielmehr bestehen immer wieder Engpässe in der Versorgung. Die meisten Länder der Erde sind bisher nicht einmal über das Projektstadium hinausgekommen und es bestehen weiterhin gravierende regionale Unterschiede. So lange die durchschnittliche Versorgung unter 80 % liegt (derzeit beträgt der prozentuelle Versorgungsanteil circa 30 %), kann man nicht davon ausgehen, dass ein allgemeiner Zugang zu HIV-Therapien gewährleistet ist.

Die AIDS-Hilfen fordern daher:

– Um ein faires und gerechtes Verfahren gewährleisten zu können, müssen differenzierte Kriterien bei der Abwicklung der Asylverfahren Anwendung finden, die den Fokus auf die tatsächlichen Problematiken richten, die im Zusammenhang mit HIV/AIDS und einer Abschiebung durch das bisherige Vorgehen entstehen.

– Jeder Einzelfall muss für das jeweilige Herkunftsland anhand der Empfehlungen der WHO überprüft werden, ob ausnahmslos der Zugang zur Therapie und zu den spezifischen notwendigen Kontrolluntersuchungen gewährleistet ist. Unbedingt beachtet werden muss dabei auch, dass Betroffene, die bereits in den so genannten industrialisierten Ländern in medizinischer Behandlung sind, meist schon mehrere Medikamentengenerationen hinter sich haben und sie keinesfalls auf eine frühere Therapie zurückgehen können.

– Um zuverlässige Angaben zur Entscheidungsfindung zu erhalten, müssen vorrangig Gutachten und Berichte von kompetenten Organisationen und Ärzten/Ärztinnen eingeholt werden. Die Auskünfte von Botschaften sind nicht ausreichend, um die Versorgungslage im jeweiligen Herkunftsland zu beurteilen.

– Der Zugang zu einer HIV-Therapie im Herkunftsland muss für die Einzelperson finanziell und sozial möglich sein. Wenn keine finanziellen Ressourcen vorhanden sind und keine Aussicht auf eine eigene Verdienstmöglichkeit besteht und daher die finanzielle Abhängigkeit von der Familie und des sozialen Umfelds droht, können Menschen nicht für ihre Gesundheitsversorgung aufkommen.

– Für bereits negativ ausjudizierte Personen, die vor der Abschiebung stehen, muss eine Möglichkeit geschaffen werden, die einen humanitären Aufenthalt bzw. ein Bleiberecht in Österreich garantiert.

In den reicheren Gebieten der Erde sieht die Lage anders aus. Hier können die Menschen aufgrund der HAART durchaus alt werden. Dies gilt auch für Österreich: Medizinisch betrachtet hat man HIV trotz Langzeitschäden aufgrund der Nebenwirkungen der HAART gut im Griff, wenn auch die sozialen (sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben) Stigmatisierungen immens sind. Auch im Arbeitsleben haben es Menschen, deren HIV-Infektion bekannt ist, nicht leicht. Beinahe zwei Drittel aller von HIV Betroffenen stehen im Berufsleben, doch verschweigen fast alle ihre HIV-Infektion am Arbeitsplatz aus Angst vor Diskriminierung, Stigmatisierung und deren dramatischen Folgen. Wir wissen aus unserer psychosozialen Klienten-/Klientinnenbetreung wie vielfältig die Missstände für Menschen mit HIV/AIDS im Arbeitsleben sind. Das betrifft nicht nur Hürden beim Berufseintritt, sondern auch die Angst, aufgrund der Infektion den Job zu verlieren oder von Kollegen/Kolleginnen gemieden oder gemobbt zu werden. Die medizinischen Fortschritte haben die Infektion mit HIV zu einer chronischen Krankheit gemacht. Die soziale Entwicklung hinkt aber immer noch hinterher.

Unsere manische Leistungs- und Konsumgesellschaft will sich mit HIV nicht auseinandersetzen und die chronische Erkrankung abspalten. Zwar hat sich in den letzten 15 Jahren rechtlich viel getan, bezüglich unseres gesellschaftlichen Umgangs mit der Immunschwächeerkrankung befinden wir uns jedoch noch immer im tiefsten Mittelalter. HIV-positive Menschen werden sogar in Krankenhäusern oder bei ArztInnen, die in der Regel besser als die Allgemeinbevölkerung aufgeklärt sind, diskriminiert, an die letzte Stelle gereiht oder erst gar nicht behandelt.

Ein Zitat des gesellschaftskritischen Psychoanalytikers Horst E. Richter, das bereits über 25 Jahre alt ist, an Brisanz jedoch nichts verloren hat, soll uns bezüglich des phobischen Umgangs mit HIV zu denken geben. Es führt uns vor Augen, dass die Humanität einer Gesellschaft daran zu messen ist, wie sie mit allen Minderheiten umgeht:

„Allgemeines Verwundern erregt es, daß die massenhafte Information über die sehr begrenzten spezifischen Ansteckungswege (sc. von HIV, d.V.) eine Mehrheit nicht daran hindert, sich vor jeglichem noch so unbedenklichen Umgang mit Virusträgern schützen zu wollen. Selbst in Kreisen fachlich Gebildeter grassiert diese irrationale Abgrenzungsobsession. Es ist, als ob mittelalterlicher Aberglaube wieder auferstehe. Im Kopf – so sagen viele – weiß ich sehr wohl, daß mir, wenn ich mit AIDS- [und HIV-, d.V.] Infizierten am Tisch sitze oder ihnen die Hand gebe, nichts passiert. Trotzdem reagiere ich panisch, wenn ich mir solche Situationen auch nur vorstelle.

Was da in Wahrheit nicht ausgehalten wird, ist nicht der fremde, vermeintlich gefährliche Virusträger, sondern das Abbild der eigenen Verletzlichkeit und Sterblichkeit […] Mit Infizierten in humaner Form kommunizieren kann nur, wer sich mit der eigenen Sterblichkeit aussöhnen gelernt hat. Dieses Lernen wird nun aber zu einer der dringendsten sozialen Zukunftsaufgaben, da wir vor der Wahl stehen, entweder überall in humanitärer Solidarität […] zusammenzuleben oder in die Barbarei der Ausgrenzung »unwerten Lebens« nach faschistischem Muster zurückzufallen.“ (zit. nach Hort Eberhard Richter, Leben statt machen. Einwände gegen das Verzagen. Aufsätze, Reden, Notizen zum „neuen Denken“. Hamburg 1987, S. 13.)

In diesem Sinne der gelebten Solidarität steht auch heuer wieder der Welt-Aids-Tag unter dem Motto:

GETTING TO ZERO

ZERO New Infections – ZERO Aids Related Deaths – ZERO Discrimination!

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